Wildbiene des Jahres 2021: Die Mai-Langhornbiene
Ein sonniger Tag Mitte Mai: Wir sind auf einer Streuobstwiese. Die vielen bunten Blüten und Gerüche unter den Obstbäumen lassen uns den Alltag vergessen. Herrlich, diese Stille. Nur vereinzeln hören wir Summen und Vogelgezwitscher. Plötzlich nähert sich eine kleine Biene. Doch was ist das: ihr Aussehen ist anders als eine Honigbiene. Ihr Körper ist plumper und pelziger. Doch ihre langen schwarzen Fühler verraten, wer vor uns so geschwind hin- und herfliegt: eine Mai-Langhornbiene. Der Arbeitskreis Wildbienen-Kataster ernannte sie zur Wildbiene des Jahres 2021.
Zwischen Nachtquartier und Patrouillenflügen
Wir sehen das Männchen der Mai-Langhornbiene zwischen den zahlreichen Blüten umherfliegen. Auf uns wirkt es so, als flöge sie Patrouille. Mag das die Reviermarkierung sein, von der wir auch bei Wildbienen lesen können? Wir nähern uns dem Wildbienen-Männchen und sehen, dass sein Kopf große, schwarze Fühler hat. Diese sind schätzungsweise so lang wie der Körper. Und zwischen den Fühlern, was ist das? Kleine Blütenpollen verraten uns, dass sie in der letzten Nacht - vielleicht mit Artgenossen gemeinschaftlich - in Blüten übernachtete. Von der Mai-Langhornbiene sind auch andere Schlafplätze bekannt, wie zum Beispiel das Festhalten an Pflanzenstängeln. Ihre Mundwerkzeuge sind so stark, dass sie die ganze Nacht seitwärts oder manches Mal auch kopfüber dort verharren können.
Die Weibchen und ihr Nachwuchs
Wir haben Glück: Es taucht ein Weibchen auf. Ihre Fühler sind kürzer. Wir erkennen die auffällig borstig behaarten Hinterbeine. Mit diesen Borsten ist die Biene in der Lage, Blütenpollen aufzunehmen und zu ihrem Nistplatz zu transportieren. Diesen Pollen sammelt sie für ihren Nachwuchs. Uns fällt auf, dass das Weibchen direkt auf den Boden fliegt. Was macht sie da? Sucht sie etwas und wenn ja, was? Uns wird klar, dass bodennistende Arten unbewachsene Stellen am Boden suchen. Diese Bereiche sollten sandig oder lehmig sein und auch gerne am Hang liegen. Dort baut das Weibchen der Mai-Langhornbiene ihre Nester. Zuvor verpaart sie sich mit einem Langhornbienen-Männchen. Die Nester gräbt sie als schmalen bleistiftdicken Gang in die Erde. Am Ende nach etwa 20 oder 30 Zentimetern schafft sie einzelne, kleine Höhlen. Ihre Gänge stabilisiert sie mit einem selbstproduzierten Sekret. Schließlich sollen die Wände nicht einfallen. Wir beobachten weiter, dass das Weibchen emsig in jede Höhle Blütenpollen hineinträgt. Dieser Pollen dient als Futter für ihre eigenen Nachkommen. Auf diesen Futterdepots platziert sie jeweils ein Ei. Während Weibchen andere Wildbienenarten den Proviant für die Larven zu einer Kugel formen, verzichtet das Weibchen der Mai-Langhornbiene auf diesen Aufwand. Sie kämmt dazu einfach nur den Pollen aus den Borsten ihrer Hinterbeine.
Wählerisch bei der Nahrungssuche
Den Blütenpollen sucht das Weibchen der Mai-Langhornbiene ausschließlich von Schmetterlingsblütlern. Wir können sie dafür besonders gerne an der Zaun-Wicke Pollen beobachten. Ihr bevorzugten Pflanzen findet sie auf Fettwiesen, an Dämmen oder an Säumen von Hecken oder Waldrändern. Blütenpollen von anderen Pflanzenfamilien kann der Nachwuchs nicht verwerten. Die Wissenschaft hat übrigens dafür einen eigenen Begriff geschaffen. Sie bezeichnet das Verhalten als oligolektisch. Das heißt, die Biene ist auf wenige Pflanzen angewiesen an den sie Pollen und Nektar sammelt.
Gegenspieler und Verwandte
Die Versorgung der Nachkommen ist die Hauptbeschäftigung des Mai-Langhornbiene-Weibchens. Doch die müssen bei dieser Beschäftigung auf der Hut sein. So manches Nest wird von der Langkopf-Wespenbiene ausgespäht. Die Wespenbiene gehört zu den sogenannten Kuckucks- oder Schmarotzerbienen. Sie parasitiert an dem Eigelege der Mai-Langhornbiene. Dafür krabbelt die Wespenbiene in die Erdgänge und legt ihr Ei zu dem Ei ihres Wirtes. Die Larve des Kuckucks ernährt sich von den Pollenvorräten der Langhornbiene. Letztere verkümmert und stirbt schließlich.
Interessant ist auch, dass andere Wildbienenarten ähnlich aussehen, wie die Mai-Langhornbiene und es so für uns zu einer Verwechselung kommen kann. So gibt es zum Beispiel die Juni-Langhornbiene. Wir können sie am besten durch ihre spätere Flugzeit von den zuvor fliegenden Verwandten unterscheiden. Es verwundert also nicht, dass beide Arten noch vor 30 Jahren zu einer Art zusammengefasst wurden.
Seit dem Jahr 2013 wählt das Kuratorium des Arbeitskreises Wildbienen-Kataster eine „Wildbiene des Jahres“. Ihr es dabei wichtig, auf die Besonderheiten und Gefahren der Wildbienen aufmerksam zu machen. Weil die Mai-Langhornbiene so etwas besonders unter den Bienenarten darstellt, wurde sie von der Initiative Deutschland summt! schon im Mai 2019 zur „Wildbiene des Monats“ erklärt.
Verbreitung und Überblick der Mai-Langhornbiene
Literatur
http://www.wildbienen-kataster.de/
Amiet, Felix & Krebs, Albert (2012): Bienen Mitteleuropas - Gattungen, Lebensweise, Beobachtung, Haupt Verlag, Bern
Bellmann, Heiko & Helb, Matthias (2017): Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos - Naturführer, Nestbau, Brutpflege, Staatenbildung - die besonderen Verhaltensweisen der Hautflügler
Scheuchl, Erwin, & Willner, Wolfgang (2016): Taschenlexikon der Wildbienen Mitteleuropas: Alle Arten im Porträt; Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co; Wiebelsheim
Westrich, Paul (2018): Die Wildbienen Deutschlands, 1700 Farbfotos; Ulmer-Verlag; Stuttgart