Wildbiene des Monats September 2020: Glockenblumen-Sägehornbiene (Melitta haemorrhoidalis, FABRICIUS 1775)
Die Glockenblumen-Sägehornbiene gilt hierzulande als die häufigste Vertreterin der Sägehornbienen. Die Männchen der 11 bis 13 Millimeter großen Biene haben eine gelbbraun behaarte vordere Hälfte des Hinterleibs, die hintere Hälfte ist schwarz. Die Weibchen sind durch schmale Hinterleibsbinden und rotbraune Endfransen charakterisiert. Für beide gilt: die vielfältigen Glockenblumen (Gattung Campanula) sind von höchstem Wert. Für unsere Wildbiene des Monats sind sie Nahrungsgrundlage, Partnerbörse und Schlafplatz in einem.
Man findet die Glockenblumen-Sägehornbiene von der Iberischen Halbinsel bis zum Kaukasus. Besiedelt werden auch klimabegünstigte Habitate in Schottland, Skandinavien und westlich des Uralgebirges. Sie ist zwar flächenmäßig in Europa weit verbreitet, ist aber dabei jedoch nur mäßig häufig in ihrer Art vertreten und bildet zumeist nur kleine Bestände aus. In Deutschland gilt die Art gegenwärtig als ungefährdet und wird lediglich für Niedersachsen als gefährdet gelistet (siehe Verbreitungskarte). Zum Überleben braucht sie sonnenbeschienene Waldsäume, Waldlichtungen, extensiv genutztes Grünland, Kahlschläge, Halbtrockenrasen oder Park- und Gartenanlagen mit reichen Glockenblumen-Beständen. Die Glockenblumen-Sägehornbiene ist eine der wenigen Bienenarten, für die Waldränder als Lebensraum mit seinen gekammerten Strukturen wichtig sind.
Die Wildbiene ist, wie der deutsche Name andeutet, sehr stark auf Glockenblumengewächse (Campanulaceae) spezialisiert. Ihre wichtigsten Pollenquellen als Futter sind: Rundblättrige Glockenblume (Campanula rotundifolia), Pfirsichblättrige Glockenblume (C. persicifolia), Rapunzel-Glockenblume (C. rapunculus), Nesselblättrige Glockenblume (C. trachelium) und weitere Gattungsverwandte.
In selbstgegrabenen Nestern in verschiedenen Bodenarten legt das Weibchen mehrere Brutzellen an. Den angefeuchtet transportierten Pollen vermengt sie mit körpereigenen Sekreten zu Larvenfutter. Für die Verproviantierung einer Brutzelle besucht die Biene nachweislich bis zu 66 Blütenstände. Die als Ruhelarven überwinterten Wildbienen erscheinen ab Mitte Juli und fliegen dann bis Anfang September.
An der Glockenblumen-Sägehornbiene parasitieren zwei Bienenarten: die Hecken-Wespenbiene (Nomada emarginata) und die Greiskraut-Wespenbiene (Nomada flovopicta). Wespenbienen sind mit 64 Vertreterinnen die artenreichste Kuckucksbienen-Gattung in Deutschland. Viele Arten sind auf eine einzige oder einige wenige Wirte spezialisiert. Durch die schwarz-gelbe Hinterleibszeichnung vieler Arten können Wespenbienen optisch leicht mit einzelnen Wespenarten verwechselt werden. Wie allerdings viele Wespen können auch Wespenbienen nicht stechen.
Um den auf die Campanula spezialisierten Glockenblumen-Sägehornbienen zu helfen, können Sie eine Vielzahl der weiß oder bläulich gefärbten Glockenblumen in ihrem Garten oder auf ihrem Balkon pflanzen. So vielfältig wie ihr Vorkommen in der Natur, so vielfältig sind auch die Standortansprüche der verschiedenen Arten. In Blumenbeeten, Gehölzrändern, Magerstandorten, Steinfugen und Mauerkronen fühlen sich Glockenblumen wohl.
Wertvolle Tipps, wie bienenfreundliche Strukturen gestaltet werden können, finden Sie auf den Websites: www.wir-tun-was-fuer-bienen.de und www.deutschland-summt.de.
Literatur
Amiet, Felix & Krebs, Albert (2012): Bienen Mitteleuropas - Gattungen, Lebensweise, Beobachtung, Haupt Verlag, Bern
Bellmann, Heiko & Helb, Matthias (2017): Bienen, Wespen, Ameisen. Kosmos - Naturführer, Nestbau, Brutpflege, Staatenbildung - die besonderen Verhaltensweisen der Hautflügler, 3.Aufl., Franckh Kosmos Verlag
Jakumeit, Daniel (2019): Lebensraum Garten – Mini Tipps, Aktiv Natur schützen im eigenen Garten, 20 Tipps für Projekte aus der Praxis für die Praxis
Hemmer, Cornelis & Corinna Hölzer (2017): Wir tun was für Bienen. Wildbienengarten, Insektenhotel und Stadtimkerei, Kosmos-Verlag, Stuttgart
Michener, Charles D. (2007): The Bees of the World, The Johns Hopkins University Press, Baltimore
Scheuchl, Erwin, & Willner, Wolfgang (2016): Taschenlexikon der Wildbienen Mitteleuropas: Alle Arten im Porträt; Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co, Wiebelsheim
Vereecken, Nicolas (2019): Wildbienen entdecken & schützen, BLV, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag
Westrich, Paul (2019): Die Wildbienen Deutschlands; 2.Aufl., 1700 Farbfotos; Ulmer-Verlag; Stuttgart