Bestäubung
Wie funktioniert das?
Als Bestäubung wird der Vorgang bezeichnet, bei dem der Pollen als Träger des männlichen Erbguts auf das weibliche Pflanzenorgan, die Nabe, übertragen wird. Die Bestäubung ist Voraussetzung für die Bildung von Samen und Früchten, welche die Vermehrung von Pflanzen ermöglichen. Bei den meisten Pflanzen wird die Bestäubung von Tieren geleistet.
Die Übertragung von Pollen durch Insekten auf die Narbe der Blüten hat eine lange und abwechslungsreiche Geschichte. Vor etwa 200 Mio. Jahren nahm sie ihren Anfang. Zuerst waren es Wind und Wasser, später übernahmen zusätzlich Insekten die Verantwortung für die Blütenbestäubung. Wie haben sich die Blüten dadurch verändert?
Zuerst waren alle Samen nackt (Nacktsamigkeit). Der große Nachteil dieser Schutzlosigkeit war, dass Käfer, die als eine der ersten Insektenarten Blüten bestäubten, die Pollen und Samen zum Fressen gern hatten. Der Energieverlust für die Pflanzen war dadurch so groß, dass sie eine schützende Fruchtschale (Samenschale) für ihre Samen entwickelten. Außerdem bevorzugten die Käfer männliche Blüten, da diese den Pollen enhalten - somit wurden zu wenig weibliche Blüten bestäubt.
Was geschah mit den Pflanzen? Sie wurden zwittrig. Im Zuge der Evolution bildeten sie zweigeschlechtliche Blüten, in denen sowohl weibliche (Fruchtknoten) als auch männliche (Staubbeutel) Geschlechtsorgane vorhanden waren. Entsprechend erfolgreicher fiel nun auch die Bestäubungsleistung der Insekten aus, die theoretisch nur noch eine oder zwei Blüten anfliegen mussten, um eine Befruchtung – das eigentliche Anliegen der Pflanze - zu erzielen. Während für eine Windbestäubung große Massen an Pollen notwendig sind, reduzierte sich die energieverbrauchende Pollenproduktion bei zwittrigen Pflanzen auf das für die Bestäubung nötige Maß.
Bienen sehen ultraviolettes Licht
Im Wettbewerb um Insekten entwickelten Pflanzen einen ungeheuren Form- und Farbreichtum. Die Anpassung von Blüten an ihre Bestäuber wurde im Verlauf der Entwicklung immer ausgefeilter. Beispielsweise können Bienen, im Gegensatz zum Menschen, auch ultraviolettes Licht an Pflanzen wahrnehmen. Bienen haben dadurch eine zusätzliche Möglichkeit, "ihre" Blüten zu finden. Dem Menschen eröffnet sich deshalb neben den Düften und Formen nicht die ganze Farbpalette, die sich im Laufe der Evolution für die Sinne der bestäubenden Insekten gebildet hat.
Die unterschiedlichen Formen der Blüten (Blütenypen) geben oft Aufschluss darüber, von welcher Insektenart (Bestäubergruppe) sie aufgesucht und bestäubt werden. In diesem Zusammenhang spricht man von den in unseren Breiten hauptsächlich vorkommenden Bienenblumen, die, wie man dem Namen entnehmen kann, von Bienen besucht werden. Es gibt aber auch beispielsweise Vogelblumen oder Tagfalterblumen. Bienen sind sehr erfolgreiche Bestäuber, denn sie besuchen Blüten besonders häufig: Nektar, Pollen und Blütenöl dienen nicht nur der eigenen Versorgung, sondern auch der Brutpflege ihrer Larven.
Warum täuschen Blumen die Bienen?
Einige Bienen gehen den Blüten während des Besuchs sprichwörtlich auf dem Leim. Durch das Vortäuschen von Form und Farbe und durch Ausscheidung spezieller, den eigentlichen Bienenblumen ähnlichen Düfte, locken sogenannte Täuschblumen Bienen an und erhalten quasi eine Gratis-Bestäubung durch die nektarsuchenden (Nahrungstäuschblumen) bzw. partnersuchenden Bienen (Sexualtäuschblumen).
Weitere Informationen dazu finden im Artikel von Prof. Hannes F. Paulus: Bienen und Pollen. Die Entstehungsgeschichte der Bestäubung, erschienen in "Natur und Land", Ausgabe 2/2011.
Das passiert, wenn Bestäuber fehlen
Fehlen Tiere als Bestäuber, werden entweder keine Früchte gebildet, oder die Früchte weisen eine deutlich geringere Qualität auf. Und wenn wir unsere Gerichte mit Rosmarin, Oregano, Petersilie oder Liebstöckel aus dem Garten verfeinern möchten, können wir uns ebenfalls bei den Bestäubern bedanken. Insgesamt sind über 90 % aller blühenden Wildpflanzen auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen oder profitieren von ihr.
Fortpflanzung doch ohne Bestäubung?
Einzelne Nutzpflanzen sind nicht auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen. Darunter sind einige, die für unsere Ernährung eine bedeutende Rolle spielen. Die Rede ist hier insbesondere von der Familie der Süßgräser, der alle unsere Getreidesorten wie beispielsweise Weizen, Reis oder Mais angehören, und von der Kartoffel, die zu den Nachtschattengewächsen zählt. Auch einige andere Nutzpflanzen wie Blattgemüse, Erbsen oder die Haselnuss kommen ohne tierische Hilfe aus. Gleiches gilt für Pilze.
Die 3 Fortpflanzungs-Strategien der Pflanzen
Quelle: Ratgeberbuch "Wir tun was für Bienen" von Cornelis Hemmer und Corinna Hölzer, KOSMOS Verlag
Bestäubung durch Wildbienen
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass für eine optimale Bestäubung von Pflanzen Honigbienen allein nicht ausreichen. Erst in der „Zusammenarbeit“ mit wilden Insekten, darunter vor allem auch Wildbienen, werden die besten Bestäubungsleistungen erreicht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bestäubung der Leguminosen Ackerbohne (Vicia faba) und Sommerwicke (Vicia sativa) durch Wild- und Honigbienen. Mehr zu den Bestäubungsleistungen bei Welt.de (http://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article114029771/Wilde-Insekten-muessen-Honigbienen-unterstuetzen.html), dem Tagesspiegel (http://www.tagesspiegel.de/wissen/unterschaetzte-helfer-fleissig-wie-eine-wildbiene/7859488.html) und dem Deutschlandfunk (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/forschak/2027181/).
Schon seit den 1980er Jahren werden einige Hummelarten, insbesondere Erdhummeln, gezüchtet und zur Bestäubung von Tomaten, Paprika, Auberginen, Melonen, Zucchini, Erdbeeren, Brombeeren und Himbeeren in Gewächshäusern eingesetzt. Für die Bestäubung von Obstbäumen (Apfel, Birne, Pflaume, Kirsche u.a.) kommen Mauerbienen zum Einsatz. Mehr über den Stellenwert von Wild-und Honigbienen im Erwerbsobstbau finden Sie hier: www.mauerbienen.eu/literature/best%c3%a4ubungsmanagement.pdf
Prof. Dr. Teja Tscharntke, Universität Göttingen, über die Bedeutung von Bestäuberinsekten
Einsatz von gekauften Wildbienen im Erwerbsobstbau und privaten Gärten
Mit dem Zuspruch, Insekten auch im eigenen Garten oder auf dem Balkon und der Terrasse zu befördern, entscheiden sich mehr und mehr Verbraucherinnen und Verbraucher Wildbienen und ihre Nistquartiere käuflich zu erwerben. Zwischenzeitlich ist der Online-Handel auch für diese „Produkte“ stark gewachsen, doch sollten uns die Folgen daraus eher beunruhigen.
Die auf den Webseiten wie zum Beispiel von BeeHome dargestellten kleinen Wildbienennisthilfen machen einen handwerklich guten Eindruck. Die Macher wollen vermutlich wirklich ihren positiven Beitrag leisten. Doch der Versand von Wildbienen an Endverbraucher ist kritisch zu beurteilen. Beim Versenden von Wildbienen wird die „Verdriftung“ des Genpools durch das Einführen dieser in andere, entfernte (Lebens-) Räume ein Problem für die dort lebenden Individuen und Populationen.
Das Versenden (oder Umsiedeln oder Umsetzen) entspricht unserer Meinung nach nicht dem Grundsatz der Erhaltung der biologischen Vielfalt. Im Gegenteil: Die Arten der norddeutschen Wildbienen verfügen über ein anderes genetisches Erbgut als süddeutsche Wildbienen der gleichen Art. Die Anpassung an die Klimaverhältnisse und die mit ihr vor Ort angepasste Vegetation schafft auch bei gleichen Arten eine lokale Ausprägung (Unterarten und Ökotypen). Die Einführung führt unweigerlich zu einer Durchmischung mit den Arten vor Ort. Die Folge des Einbringens von Wildbienen aus Herkünften in andere Regionen widerspricht den Grundsätzen der Erhaltung von Biodiversität. Neben dem Saatgutskandal der vergangenen Jahren droht hier eine neue Katastrophe beim Verlust unserer Arten durch das Einbringen von Tieren aus anderen geographischen Räumen (siehe auch: Hummeln).
Bessere Alternative: Naturgärten!
Wir sollten uns sehr zurückhalten und nicht das Modell von Beehome oder ähnlicher Akteure unterstützen. Als Bienenschützer können wir durch die Änderung in unserem Verbraucherverhalten (Einkauf von Biolebensmitteln, verstärkt Fahrradfahren und zu Fuß laufen, …) und die Anlage von heimischen und standortangepassten Pflanzen in unseren Gärten und auf unseren Balkonen und Terrassen viel mehr bewirken.
Bestäubung durch Mücken
Für die Bestäubung von Kakaoblüten sind nicht Bienen, sondern Mücken verantwortlich. Genauer gesagt sind es Gnitzen oder Bartmücken (Ordnung: Diptera, Familie: Ceratopogonidae) der Gattungen Forcipomyia und Euprojoannisia (für die Gattungen gibt es keine deutschen Namen).
Die Bartmückenarten legen im feuchten, schattigen Unterholz der Kakaobäume ihre Eier ab. Die Larven leben in humusreichem Boden, unter Rinden und in Totholz. Sie ernähren sich von zerfallenden, pflanzlichen Stoffen.
Die erwachsenen Tiere suchen die Blüten des Kakaobaumes (Theobroma cacao) auf. Sie sind für den Kakaobaum sehr bedeutende Bestäuberinsekten.
Der Wert von Bestäubern und Bestäubung
Ende Februar 2016 hat der Weltrat für biologische Vielfalt IPBES einen Bericht zum Thema „Bestäuber, Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion“ veröffentlicht. In der „Zusammenfassung für Entscheider“ listet der Rat neun Schlüsselbotschaften zum Wert von Bestäubern und Bestäubung auf (Übersetzung und Kürzungen durch uns):
- Bestäubung durch Tiere spielt eine entscheidende Rolle als eine regulierende Ökosystemdienstleistung in der Natur. Global gesehen hängen fast 90 % der blühenden Wildpflanzenarten mindestens zum Teil von der Pollenübertragung durch Tiere ab. Diese Pflanzen sind entscheidend für den Fortbestand von Ökosystemen, die wiederum einer großen Zahl von Tier- und Pflanzenarten Nahrung, Lebensräume und andere Ressourcen bieten.
- Mehr als drei Viertel der global angebauten Hauptnahrungspflanzen hängen in Hinblick auf Ertrag und/oder Qualität zu einem gewissen Grad von der Bestäubung durch Tiere ab. Bestäuberabhängige Nahrungspflanzen machen 35 % des globalen Produktionsvolumens aus.
- Es wird geschätzt, dass 5-8 % der aktuellen Nahrungspflanzenproduktion weltweit direkt von der Bestäubung durch Tiere abhängt. Dies entspricht einem jährlichen Marktwert von 235-577 Mrd. US-Dollar (2015).
- Die Abhängigkeit von der Bestäubung durch Tiere ist je nach Nahrungspflanze sehr unterschiedlich. Dies gilt daher in ähnlicher Weise auch für unterschiedliche Landwirtschaftsregionen.
- Bestäuberabhängige Lebensmittel leisten einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der Menschen.
- Die große Mehrheit der Bestäuberarten sind Wildtiere, darunter mehr als 20.000 Bienenarten, einige Fliegenarten, Schmetterlinge, Motten, Wespen, Käfer, Fransenflügler, Vögel, Fledermäuse und andere Wirbeltiere. Ein paar Bienenarten werden gehalten, darunter die Westliche Honigbiene (Apis mellifera), die Östliche Honigbiene (Apis cerana), einige Hummelarten, einige stachellose Bienen und einige Solitärbienen.
- Sowohl wilde als auch gehaltene Bestäuber spielen global eine bedeutende Rolle bei der Nahrungspflanzenbestäubung. Ihr jeweiliger Beitrag ist je nach Nahrungspflanze und Ort jedoch unterschiedlich. Ertrag und Qualität der Nahrungspflanzenproduktion hängen sowohl von der Menge als auch der Vielfalt der Bestäuber ab. Eine vielfältige Bestäubergemeinschaft bewirkt gemeinhin eine effektivere und stabilere Pflanzenbestäubung als irgendeine einzelne Art. Bestäubervielfalt trägt sogar dann zur Pflanzenbestäubung bei, wenn gehaltene Arten (z.B. Honigbienen) in großen Mengen vorhanden sind. Der Beitrag von wilden Bestäubern zur Nahrungspflanzenproduktion wird unterschätzt.
- Bestäuber sind, jenseits der Nahrungsmittelbereitstellung, eine Quelle vielfachen Nutzens für Menschen. Sie tragen direkt zur Herstellung von Medizin, Biokraftstoffen (z.B. Raps, Palmöl), Fasern (z.B. Baumwolle, Leinen), Baumaterial (Bauhölzer), Musikinstrumenten und Kunstgewerbe bei. Außerdem ermöglichen sie Freizeitaktivitäten und sind eine Inspirationsquelle für Kunst, Musik, Literatur, Religion, Traditionen, Technologie und Bildung.
- Für viele Menschen hängt eine hohe Lebensqualität von den fortgesetzten Rollen ab, die Bestäuber in global bedeutsamen Traditionen spielen; als Identitätssymbole; als ästhetisch bedeutende Landschaften und Tiere; in sozialen Beziehungen; für Bildung und Erholung.
Hier finden Sie eine ausführlichere deutsche Übersetzung.
Mittlerweile ist auch eine offizielle deutschsprachige Erläuterung zur Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des Berichts erschienen.
Weitere Fakten zum Wert der Bestäubung
- Rund 80 Prozent aller Pflanzenarten in den gemäßigten Breiten sind auf eine Fremdbestäubung durch Insekten angewiesen. Davon werden wiederum etwa 80 Prozent durch Wild- und Honigbienen bestäubt.
- In Deutschland erreicht der jährliche Nutzwert der Bestäuberinsekten etwa vier Milliarden Euro. Da die Honigbiene eines von zahlreichen Bestäuberinsekten ist, wird sie nach Rind und Schwein als das drittwichtigste Nutztier eingeschätzt. Der Nutzwert ergibt sich aus der Bestäubung der hundert wichtigsten Kulturpflanzen.
Weiterführende Informationen
Hier finden Sie das Faktenblatt des NeFo (Netzwerk-Forum zur Biodiversitäsforschung Deutschland) mit den Inhalten zu Bestäuber-Insekten und ihrer Rolle für unsere Ernährung.
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft weist im Infoblatt "Bienentracht in Dorf und Flur" (PDF) auf die Bedeutung der Biene im Naturhaushalt und auf ihre Bedürfnisse hin. Zudem zeigt sie, wie die Bestäuber im Jahresverlauf mit passenden Anpflanzungen unterstützt werden können.